Dracula-Dinner
Von Blutsaugern, der Schneider-Ehre und einem ungewöhnlichen Dinner...
„Ich dachte mir, das is’n Vampir – da muss man vorsichtig sein ...“, so heißt es bei Udo Lindenberg. Doch die Schneiderei Burscheid sucht ja bekanntermaßen Herausforderungen – und so überzeugte ich meinen Lebensgefährten, gemeinsam ein „Dracula-Dinner“ zu besuchen. Was dies genau sein sollte, wussten wir nicht: Ein Lieferwagen mit dieser Aufschrift hatte jedoch schon seit Wochen meine Neugierde geweckt – und die sollte nun gestillt werden. Eine folgenschwere Entscheidung, wie sich alsbald herausstellen sollte ... Doch soll noch mal einer sagen, „Werbung bringt nichts!“
Nach der einfachen Anmeldung im Internet wurde es gleich schwieriger: „Um eine passende Abendgarderobe wird gebeten!“ hieß es dort. Passend? Tja, was tragen denn Vampire eigentlich so? Weder der Gang zum Kostümverleih noch die anschließende Internet-Recherche brachten wirklich befriedigende Ergebnisse. Weißes Rüschenhemd und schwarzer Umhang für den Herrn – ja, da waren wir schon selbst drauf gekommen. Und die Vorschläge für die Dame blieben ziemlich ungefähr und beliebig – nichts, was man als wirklich „passend“ hätte einstufen können ...
Gut, dass ich aus der großen DVD-Kiste ein Schätzchen ans Tageslicht fördern konnte, das Inspiration versprach: Der „Tanz der Vampire“. Nicht nur, dass es Spaß machte, sich mit diesem herrlichen Klassiker in die Thematik einzufinden – die Ballszene am Ende des Films (die Fans erinnern sich) brachte dann auch die erhofften Anregungen: Roman Polanskis Kostümbildner waren seinerzeit wirklich einfallsreich und so überzeugte zum Beispiel die Garderobe von Graf von Krolock – lilafarbener Gehrock über einem, in der Tat: weißen Hemd mit Rüschen an Ärmeln und Kragen gleich auf den ersten Blick.
Bei den Damen wurde es da schon etwas schwieriger – doch eine Kombination aus verschiedenen Kostümen der weiblichen Ballgäste könnte das gewünschte Ergebnis bringen...
Die Schneider-Ehre war geweckt. Der Grundschnitt eines eigentlich „gewöhnlichen“ Kleides lieferte eine ausbaufähige Basis, aus der schließlich ein Komplettwerk aus Unterrock und Oberkleid wurde. Im Stoff-Fundus der Schneiderei – glücklicherweise noch umfangreicher als das Filmarchiv – fanden sich auch gleich ein paar Kostbarkeiten: einige Meter lilafarbener Jersey-Stoff, Spitzentüll, eine Smok-Bordüre, eine Kiste mit Federn ...
Die Farben der Finsternis zu Ehren des Gastgebers: Lila und Schwarz.
Zuerst war ich es, die die Schneider-Ehre hatte – aber jetzt hatte sie mich! Und das bedeutete: einige lange Abende in der Werkstatt, ein komplettes Wochenende (gut, dass sich der Sommer so viel Zeit ließ) und jede Menge Arbeit „zwischendurch“ – dankenswerter Weise mit tatkräftiger Unterstützung von Mitarbeitern und Praktikanten. Das Ergebnis: Wow! Man soll sich ja nicht selbst loben ... aber in diesem Fall?
Nun rückte auch das Event selbst immer näher. Als sich mit der finalen Anprobe und dem fachgerechten Styling am Nachmittag die Spannung steigerte und der Abend endlich kam, machte bereits das Eintreffen auf dem Parkplatz Spaß: Hier gerieten wir in das Blickfeld von zwei Kindern, die sich vertrauensvoll an ihren Vater wandten: „Guck mal Papa – da sind ja noch mehr!“ Und wir wussten, dass wir richtig waren.
Zum Dinner ging es mittels Zugbrücke über den Schlossgraben durch ein dunkles Tor, wo uns sogleich eine eigentümliche, gebeugte Gestalt mit einem Mittelding aus Fluch, Warnung und Begrüßung empfing. Am Eingang selbst wartete „Esmeralda“, die sich interessiert nach unseren bevorzugten Blutgruppen erkundigte. Nach unserer Antwort
„0-Rhesus-Negativ“ wurden wir jedoch freundlich gebeten, von einem Probebiss – gewissermaßen als Aperitif – Abstand zu nehmen.
‚Graf und Gräfin von Burscheid’ gewährte man also Einlass und wir durften einen wundervollen, unterhaltsamen und genussreichen Abend erleben – begleitet von einem Platzregen, Blitzen und einem phantastischen Donnergrollen, mit dem die Natur als Zugabe die Inszenierung jenseits der Schlossmauern vollendete.
Was im Festsaal des Schlosses genau geschah? Nun, Vampire bilden eine geheimnis-umwobene Gesellschaft, so dass es sich von selbst versteht, die Einzelheiten dieses Abends hier im Dunkeln zu lassen. Die Details auszuplaudern verbietet sich allein schon deshalb, damit wir zukünftigen Dinnergästen nicht die Spannung und damit die Vorfreude nehmen ...
Nur so viel sei gesagt: Das 4-Gänge-Menü war hervorragend und die Freude groß, dass uns doch einige Vampir-Kollegen baten, für ein Erinnerungsfoto zu posieren. (Nicht, dass ich eitel wäre, aber ein wenig stolz war ich schon...). Und als dazu noch mein Lebensgefährte, der mit Komplimenten im Allgemeinen eher etwas sparsam haushaltet, mir gleich mehrfach versicherte: „Du bist hier weit und breit und mit Abstand die schönste Vampirin!“ habe ich mir gedacht: War zwar viel Arbeit – aber es hat sich gelohnt ...